Kühe, Klima, Existenzen: Unter diesem Titel besuchte der agrarpolitische Sprecher der grünen Europafraktion Martin Häusling Wipperfürth. Er ist selber Biobauer aus Hessen, seine Söhne bewirtschaften mit ihren Familien den Kellerwaldhof in Bad Zwesten als Gemischtbetrieb mit Milchvieh und eigener Hofkäserei. Er kennt sich also aus mit den Problemen der Milcherzeuger in Oberberg.
Am frühen Nachmittag ging es zunächst nach Klespe zum Biolandhof von Angela und Wolfgang Kern. Hier war ein neuer Stall zu besichtigen, der in den letzten Monaten fertiggestellt worden ist. Der Betrieb ist sehr gut ausgestattet und setzt auf Technik für ein höchstmögliches Tierwohl und Arbeitserleicherung für die Mitarbeiter:innen. So werden die 165 Kühe mit drei automatischen Melksystemen gemolken und haben freien Zugang zur Weide. Das Futter erzeugt der Betrieb auf 145 ha mit eigenen Maschinen, hier wird bereits seit 1998 ökologisch gewirtschaftet. Aus einer über dem Liegebereich angeordneten Technikzentrale mit Blick auf die Tiere wird alles gemanaged. Für die Betriebsleiter ist es auch wichtig, dass die Arbeit Spaß macht und gut zu schaffen ist: „Wir haben hier sehr attraktive Arbeitsplätze geschaffen, denn zukünftig wird es in der Landwirtschaft auch darum gehen, qualifizierte und motivierte Mitarbeiter:innen zu gewinnen. Ob unsere 3 Töchter den Hof weiterführen werden, ist bisher nicht entschieden. Aber wir wollen unseren Nachfolgern die besten Optionen bieten“, so Wolfgang Kern.
Im Anschluss ging es für Martin Häusling und Kreissprechrin Bernadette Reinery-Hausmann in den Wald oberhalb der Bevertalsperre. Hier wurden sie begrüßt von Christian und Hans-Friedrich Hardt aus Hückeswagen. Die Familie Hardt wirtschaftet seit 1896 als Waldbauern auf inzwischen 188 ha. Sie setzen dabei schon seit jeher auf Mischwald mit Naturverjüngung und orientieren sich an den Prinzipien des naturnahen Waldbaus. Dabei ist das Ziel der s.g. Dauerwald, also ein sich selbst regenerierender Mischwald mit überwiegend Naturverjüngung, in den nur schonend eingegriffen wird. Kahlschläge finden hier nicht statt, denn den s.g. Altersklassenforst aus Fichten hat es hier nie gegeben. „Das war unser Glück, denn sonst hätte der Borkenkäfer uns ruiniert!“ sagt Christian Hardt mit Blick auf die riesigen Kalamitätsflächen andernorts in Oberberg. Dazu gehört auch eine angepasste Jagdstrategie, damit die jungen Bäume überhaupt eine Chance haben. „Wir und auch unsere Reviernachbarn halten den Rehwildbestand klein, sonst kann Naturverjüngung nicht funktionieren. Mit Erfolg, wie man sieht.“
Martin Häusling, der selber auch lange für den Nationalpark Kellerwald-Edersee gekämpft hat, zeigte sich beeindruckt von der Lebensleistung der Familie und ihrem Kampf um den klimastabilen Wald.
Am Abend stand dann eine Podiumsdiskussion zu agrarpolitischen Fragen auf dem Programm. Moderiert von Kreisgeschäftsführer Seb Schäfer diskutierte der Vorsitzende der Kreisbauernschaft Oberberg Franz Bellinghausen mit dem Gast aus Brüssel. Dabei wurde klar, dass der gerade auch in den letzten Monaten in großen Protesten geäußerte Unmut der Landwirte nicht allein auf das Konto der EU-Politik geht. Die Landwirtschaft steht vor riesigen Herausforderungen durch den Klimawandel, gleichzeitig sieht sie sich zu Unrecht an den Pranger gestellt für ihren Umgang mit Pestiziden und Düngemitteln. „Wir haben in Oberberg kein Nitratproblem“ war eine der Aussagen von Franz Bellinghausen, der auch auf die breite und gute Zusammenarbeit oberbergischer Landwirte mit dem Naturschutz im Rahmen des Landschaftsplegeprogramms „OKULA“ verwies. Häusling ging darauf ein, lobte derartige Einkommensalternativen und kritisierte die gegenwärtige Verteilung der EU-Betriebsprämien. „Wir müssen wegkommen von der Förderung der Fläche, die großen Betrieben die meisten EU – Mittel zuweist.“
Den größten Anteil machen Direktzahlungen an Agrarbetriebe aus – in Deutschland rund 4,9 Milliarden Euro. Davon profitieren besonders die Betriebe, die viel Fläche bewirtschaften. Hier kassieren 1,7 Prozent der Betriebe ein Viertel aller Direktzahlungen. Das ist eine direkte Unterstützung industrieller Agrarstrukturen, wir wollen dagegen bäuerliche Betriebe und ihre Leistungen für Klima und Artenvielfalt stärker fördern.
Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen!